August Bebel:

„Die moderne Kultur ist eine antichristliche“

Ausgewählte Reden und Schriften zur Religionskritik.

Herausgegeben von Heiner Jestrabek

1. Auflage 2007

Copyright 2003 by Alibri Verlag, www.alibri.de

Postfach 100 361, 63703 Aschaffenburg

ISBN 3-932710-58-4

160 Seiten, 13 €

 

Link: www.alibri.de

 

 

Rezension

 

In der Buchreihe Klassiker der Religionskritik legt der Aschaffenburger Verlag Alibri nunmehr seinen neunten Band vor. Die Herausgeber der Klassiker-Editionen stellen jeweils ausgewählte religionskritische Texte bekannter Persönlichkeiten vor, geben Einführungen in Leben und Werk, erklärende Glossarien, Bibliographien und biographische Zeittafeln, sowie editorische Notizen. Der Leser hat somit in komprimierter Form ansprechendes biographisches Material und exemplarische Texte zu weltanschaulichen Position der vorgestellten Persönlichkeiten zur Hand. Porträtiert wurden bisher Denis Diderot, Johann Most, Albert Dulk, Jakob Stern, Fritz Lamm, Friedrich Hecker, Peter Maslowski, Rosa Luxemburg und nunmehr August Bebel. Der Herausgeber des Bebel-Bandes Heiner Jestrabek besorgte schon die Ausgaben von Dulk, Stern und Luxemburg.

 August Bebel (1842-1913), gilt als der Stammvater der deutschen Sozialdemokratie, war deren Mitbegründer und Abgeordneter im Deutschen Reichstag. Seine Schriften, u.a. Die Frau und der Sozialismus, waren internationale Bestseller. Bemerkenswert und bisher nur wenig beachtet ist die Tatsache, dass er sich häufig mit religiösen bzw. religionspolitischen Fragen auseinandergesetzt hat. Die Sammlung präsentiert einige Parlamentsreden Bebels sowie Vorworte und Auszüge aus längeren Schriften, die diese Fragen behandeln. Eine biographische Einleitung führt in die historischen Texte und politischen Diskussionen der Zeit ein. Bemerkenswert bei Bebel war, dass „er ein bekennender Freidenker und Atheist war und dies in seinen populärwissenschaftlichen Werken propagierte … Ganz im Gegensatz zu der bei Politikern üblichen Art, sich öffentlich nur opportunistisch zu verleug­nen, bekannte er sich in öffentlichen Reden, sogar vor dem Deutschen Reichstag, zu seinen Überzeugungen.“ Im Deutschen Reichstag bekannte er freimütig 1872: „… dann hört natürlich auch die irdische Autorität sehr bald auf, und die Folge wird sein, dass auf politischem Gebiete der Republi­kanismus, auf ökonomischem Gebiete der Sozialismus und auf dem Gebiete, was wir jetzt das religiöse nennen, der Atheismus ihre volle Wirksamkeit ausüben.“

Der Politiker Bebel vertrat hierbei einen ausgesprochen modernen Standpunkt und grenzte sich von der späteren sozialdemokratischen Haltung, die Kirchen als Bündnispartner anzusehen und ihre Privilegierung mitzutragen, ebenso ab wie von explizit kulturkämpferischen Strategien. Als Standpunkt seiner Partei definierte er den Atheismus, als religionsrechtliches Modell vertrat er den weltanschaulich neutralen, toleranten Staat, der alle Glaubensrichtungen duldet, aber staatliche Einrichtungen und Religion strikt trennen sollte.

1874, in dem Jahr des Kirchenaustritts Bebels,  entstand der später berühmt gewordene Briefwechsel zwischen Bebel und Kaplan Hohoff. „Der Briefwechsel zeigte Bebels Stärke als Polemiker. Er verstand es, wie kein anderer seiner Zeitgenossen, seine umfangreichen Kenntnisse der komplexen historischen Vorgänge populär und prägnant darzustellen. Grundlage seiner Reden und Schriften waren stets umfangreiche Material­recherche und Quellenstudium. Sein Vortrag war aber immer klar, leicht verständlich und traf die Angelegenheit punktgenau. Er hatte eben einen eindeutig oppositionellen Standpunkt und unterschied sich somit wohl­tuend von den voluminösen Worthülsen und Phrasen, für die Politiker damals wie heute bekannt sind. Dies war sein Erfolgsrezept als Parlaments­redner und begründete seine Popularität als Volkstribun. Viele seiner Reden und Aufsätze, so auch die Polemik mit Kaplan Hohoff, wurden von seiner Partei als Broschüren gedruckt und fanden in sehr hohen Auflagen unter der Arbeiterschaft Verbreitung. Dieser Text hat bis heute nichts an Bedeutung eingebüßt und verdient ungeteilte Aufmerksamkeit.“

Bebel war zu seiner Zeit kein unumstrittener Parteiführer. Gegen Parteiopportunismus und Revisionismus musste er sich auf fast jedem sozialdemokratischen Parteitag wehren. „Bebel verteidigte nicht nur den revolutionären Geist der Bewegung, er stritt auch unermüdlich gegen Militarismus und drohenden Krieg, gegen Kapital, Junkerherrschaft und Großgrundbesitzer und gegen die Kolonialpolitik des deutschen Imperia­lismus. Insbesondere unter dem letzten Aspekt ist Bebels bewerkenswertes Buch Die Mohammedanisch-Arabische Kulturperiode von 1884 zu se­hen. Dieses Buch verdient auch noch heute große Aufmerksamkeit, angesichts eines Islambildes, das verzerrt ist durch terroristische islami­sche Fundamentalisten und US-amerikanische, christlich-fundamentalis­tisch artikulierte und motivierte imperialistische Kriege. Zu einer histo­risch gerechten Positionierung der Rolle des Islams trägt Bebels Orient­buch sicher bei.“ Bebels Schreiben an Karl Kautzky vom 31. Januar 1884 wird zitiert, worin er betonte, „dass ihm daran liege, nachzuweisen, dass es Schwindel sei, mit der christlichen Kultur zu prahlen. Dem Christen- und Heuchlertum, das sich breit mache, eins auszuwischen, sei der eigentliche Zweck seines Werkes.“ Das Werk endet mit der prägnanten Aussage: „Die mohammedanisch-arabische Kulturperiode ist das Verbindungsglied zwischen der untergegangenen griechisch-römischen und der alten Kultur überhaupt und der seit dem Renaissancezeitalter aufgeblähten europäischen Kultur. Die letztere hätte ohne dieses Binde­glied schwerlich so bald ihre heutige Höhe erreicht. Das Christentum stand dieser ganzen Kultur-Entwicklung feindlich gegenüber. Und so kann man denn mit Fug und Recht sagen: Die moderne Kultur ist eine anti­christliche Kultur.“

Der Herausgeber stellt den historischen Bebel auch in die aktuelle politische Diskussion: „Das Verhältnis der Sozialdemokratie zur Religionsfrage zog sich wie ein roter Faden durch deren Selbstverständnisgeschichte. Deren grundsätzli­ches Dilemma ist der unaufgelöste Widerspruch zwischen marxistischer Theorie – wonach für Deutschland die „Kritik der Religion im Wesentli­chen beendigt, und die Kritik der Religion … die Voraussetzung aller Kritik“ ist, wie Karl Marx in Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphiloso­phie schrieb – und den vermeintlichen Erfordernissen einer um Wähler buhlenden Partei mit einer opportunistischen, theorieträgen Parteibüro­kratie. Bekanntermaßen entschied sich die Sozialdemokratie in dieser Frage nicht für den Weg Bebels. Die Verhinderung der konsequenten Umsetzung der Forderung nach Trennung von Staat und Kirche in den Verfassungen von 1919 und 1949 sowie der programmatischen Kurs­wechsel in Bad Godesberg 1959, mit einer völligen Streichung der Forderung nach Laizismus, waren Etappen einer verhängnisvollen Ent­wicklung. Eine Entwicklung allerdings, die sich nicht auf das Erbe August Bebels und seiner Mitkämpfer berufen kann. Die geneigte Leserschaft mag selbst entscheiden, welchen Platz ein August Bebel innerhalb der heutigen SPD einnehmen würde. Auch wenn ein Jahrhundert zwischen unseren Welten liegt, ist schwer vorstellbar, dass er Sozialabbau bei gleichzeitigen Unternehmenssteuergeschenken, Rentenklau und Privatisie­rungen bei zeitgleichen Kriegseinsätzen in aller Welt gut geheißen hätte. August Bebels Lebenswerk war der Kampf für die Befreiung der Arbei­terklasse und der Kampf gegen Imperialismus, Kriegsvorbereitungen und Militarismus. Seine fundamentale Opposition gegen die herrschenden materiellen und geistigen Verhältnisse drückte er in dem, zum geflügelten Wort gewordenen, Motto aus: Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!“

Inhaltsverzeichnis

 

Heiner Jestrabek

 

Republik - Sozialismus - Atheismus

August Bebel und die Religionspolitik der frühen Sozialdemokratie

 

August Bebel

Ausgewählte Reden und Schriften zur Religionskritik

 

Politische Fragen sind Machtfragen

Bismarcks „Kulturkampf“ und die Stellung der Sozialdemokratie

Die parlamentarische Tätigkeit des Deutschen Reichstages und der Landtage und die Sozialdemokratie von 1871-1874

Christentum und Sozialismus

Über die materialistische Geschichtsauffassung

Glossen zu Yves Guyotz und Sigismond Lacroix' Schrift Die wahre Gestalt des Christentum

Das Christentum

Die Zukunft der Religion

Die Mohammedanisch-Arabische Kulturperiode

Das Papsttum und die soziale Bewegung

Ein Toleranzgesetz soll jeden Zwang in Bezug auf das religiöse Bekenntnis aus der Welt schaffen

Eine Abrechnung mit dem Zentrum

Glossar

 

Biographisches

 

Bibliographisches

 

Editorische Notiz


 

 


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