"Hexen"verfolgungen im Heidenheimer Land

von Heiner Jestrabek

Vielfältig sind die Zeugnisse der Vergangenheit in unserem Kreis Heidenheim. So die Überlieferung in Form von Sagen: die Geschichte vom Heidenheimer Hexenfelsen, an dem ein Zauberer eine "Hexe" zu Tode gestürzt haben soll; die Sage von den ‘Steinernen Jungfrauen’ im Eselsburger Tal, die ihre Versteinerung einer Teufelsbeschwörerin zu verdanken haben sollen; oder die Sage von der Maria Kumposch aus Nattheim, die als "Hexe" verdächtigt, nach grausamen Folterungen noch einmal frei kam. (nach Gerhard Uhde)

Hexensabbat" auf dem Blocksberg. Wüste Orgien mit dem Teufel gehörten zum mittelalterlichen Bild des "Hexen"wahnes.

"Hexenhammer"

1484 hatte Papst Innozenz VIII. die sog. "Hexenbulle" herausgegeben, in der er die Dominikanermönche Jakob Sprenger und Heinrich Institoris ermächtigte, auch in Deutschland mit aller Schärfe gegen das angebliche "Hexen"wesen vorzugehen. Das war der Auftakt zu den Verfolgungen im großen Stil in Deutschland. Die beiden berüchtigten Mönche verarbeiteten ihre "Erfahrungen" in dem Buch "Hexenhammer" ("Malleus Maleficarum"). Das Buch, 1487 erstmals in Straßburg erschienen, wurde zu einem der meistgedruckten Bücher seiner Zeit. Mit ihm begann die 300 Jahre währende Zeit des Hexenterrors, die entsetzliches Leid brachte. Es konnte vorkommen, daß nach einer Prozeßwelle in manchen Dörfern nur noch eine oder zwei Frauen übrig blieben. Im Hexenhammer hieß es: "Also schlecht ist das Weib von Natur, da es schneller am Glauben zweifelt, auch schneller den Glauben ableugnet, was die Grundlage für die Hexerei ist". Nicht selten wurden sogenannte "weise Frauen" verbrannt, Heilkundige oder Hebammen, die wegen ihres Wissens über Empfängnisverhütung und Abtreibung, der Kirche und Obrigkeit ein Dorn im Auge waren.

Hinrichtung einer "Hexe" durch Feuer, 1509.

Holzschnitt (Ausschnitt) aus dem ‘Layenspiegel’, des um 1440 in Heidenheim geborenen Ulrich Tengler

Fälle in Giengen

Auch aus unserer Gegend sind zahlreiche Fälle belegt: In der Reichstadt Giengen fanden drei Hexenprozesse statt. Im August 1578 bat der Giengener Rat die Stadt Nördlingen um Ausleihe ihres Scharfrichters, weil Giengen selbst keinen Henker beschäftigte. Er sollte eine "unholde Weibsperson peinlich befragen", d.h. unter Anwendung der Folter, weil sie freiwillig ihre "Übeltaten" nicht bekennen wollte. Das Ende des Prozesses war die Verbrennung der als "Hexe" erkannten alten Gaudermännin am 12. September 1578.

Von September bis November 1580 hatte der Nördlinger Henker wieder Arbeit in Giengen. Diesmal waren zwei Frauen die Opfer. 1615 wurde die Sailer Appel als "leichtfertige Hexe" auf dem Scheiterhaufen am Marktplatz verbrannt.

Dort fanden ab 1509 die Hinrichtungen statt, da ab dieser Zeit für Hinrichtungen außerhalb der Stadt, beim Galgen an der Memminger Straße, eine Genehmigung der württembergischen Herzogs notwendig war. Inhaftiert waren die unglücklichen Gefangenen damals im Hundturn, ein mächtiger Eckturm im Nordwesten der Stadtmauer, oder beim dessen Überfüllung, der Stadtmauerturm beim Spital und ein "Gewölbe", das Wahrscheinlich unter dem Rathaus lag.

Fälle in Heidenheim

Aus dem Amt Heidenheim sind die folgenden Fälle überliefert:

1607 Maria Öchslin aus Heuchlingen wird als "Hexe" auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

1608 Maria Groß aus Heidenheim, als "Hexe" verbrannt.

1608 werden drei "Weibspersonen" wegen "getriebenem Hexenwerk" verbrannt.

1614 Die Tochter des Valentin Fischer aus Dettingen, eine 8jährige (!) wird mehrfach verhört wegen "Hexerei und Buhlschaft mit dem Teufel". Deren Großmutter war 1613 in Aalen als "Hexe" verbrannt worden. Vater und Tochter gelang die Flucht.

1623 Margarete Groß aus Fleinheim. Vernehmung und Folter wegen "Hexerei". Sie gesteht nichts und kommt frei.

1626 Anna Lutz aus Heuchlingen wird wegen todbringender "Hexerei" angeklagt. Wird über Wochen hinweg durch alle 5 Grade der Folter gezerrt und gesteht, was ihr in den Mund gelegt wird. Wird verbrannt.

1626 Anna Georgen aus Heuchlingen wird der "Hexerei" angeklagt, gesteht nicht und kommt frei.

1628 Anna Hezler aus Oggenhausen wegen "Hexerei" in Haft genommen.

1629 Die Mutter des Hans Feurer aus Heidenheim wird als "Hexe"... "mit Steinen zu Tode geworfen".

1632 Katharina Lutz aus Fleinheim wird auf der Folterbank der "Hexerei" überführt und hingerichtet.

1658 Eine Frau aus Herbrechtingen wegen "Hexerei" angeklagt.

1666 Georg Preuß aus Heuchlingen wegen Quaksalberei Anklage auf "Hexerei". Erhält Zwangsarbeit.

5.-18.2.1680 Die fünfzehnjährige Barbara Tierer aus Heuchlingen wird verdächtigt eine "Hexe" zu sein, gefoltert und "zur Besserung" in verschiedene Siechenhäuser gebracht. Im Stuttgarter Siechenhaus verliert sich ihre Spur. Unter der Folter belastet sie den Viehdoktor Georg Preuß als ihren Lehrmeister beim "Hexen"handwerk.

1680 Georg Preuß wird als "Wiederholungstäter" eingekerkert und übersteht die angeordnete "scharfe Inquisition" ohne Geständnis und kommt frei.

1682 findet eine gerichtliche Untersuchung gegen Magdalene Oßwald statt, wegen "Verzauberung und Vergiftung des Ehemannes".

1695 findet eine gerichtliche Untersuchung einer Magd aus Gerstetten statt, weil sie behauptet hatte, der Teufel sei zu ihr gekommen und habe sie nach Ungarn mitnehmen wollen.

1695 wird das Weib des Schmieds aus Gerstetten der "Hexerei" verdächtigt. Sie habe über einem bösen Fuß den "Segen" (Zauberspruch) gesprochen und kam mit einer Kirchenstrafe davon.

1696 wird Jakob Jäger aus Gerstetten wegen "Segenssprechens" bestraft.

1707 erhielt Magdalena Rau aus Gerstetten eine Anzeige wegen "Hexerei". Sie habe Buben mit Käse vergiftet. Nach der Untersuchung kam sie frei.

13.9.1710 wurde auf dem Heidenheimer hinteren Totenberg der Freidenker Neumeyer wegen "Gotteslästerung" enthauptet und sein Kopf auf den Pfahl gesteckt.

1716 muß sich Marie Frei aus Nattheim einem Verfahren in Heidenheim stellen, wegen der Behauptung, der Teufel habe ihr Geld gegeben.

1723 ist Maria Thumm aus Nattheim Opfer einer "Teufelsaustreibung" durch den Nattheimer Pfarrer.

1735 wird eine Frau aus Nattheim der "Hexerei" verdächtigt.

1763 kommt es an Anna Bader aus Heuchstetten zu einer "Teufelsaustreibung".

1766 meldete der Heidenheimer Dekan, in seiner Diözese sei es weithin üblich, daß man, wenn jemand von einem tollen Hund gebissen worden sei, zum nächsten katholischen Ort laufe und den sogenannten St. Hubertusschlüssel hole, mit dem der Gebissene gebrannt werden müsse. Dies sei am 10. 8. d.J. bei einem Kind aus Aufhausen geschehen. Der Schmied selbst habe aus Waldhausen den Schlüssel geholt, das Kind und in Aufhausen alles, Kinder, Hunde, Vieh und Schweine gebrannt.

Die Aufzählung dieser bekannten Fälle von blutig endendem Aberglauben ist sicher nicht vollständig. 1775 wurde in Deutschland die letzte "Hexe" verbrannt. 1776 offiziell die Folter bei Verhören in Württemberg abgeschafft.

Ursachen

In unserer heutigen aufgeklärten Zeit mögen uns diese Bericht bestenfalls ein Schauern entlocken. Interessant ist aber für uns, gerade auch heute, die Frage nach den Ursachen der massenhaften Hexenhysterie zu stellen. So gab es nämlich durchaus Nutznießer und Förderer des im einfachen Volk verbreiteten Aberglaubens und der Hexenfurcht.

Schon früh hatten mutige Juristen und auch Theologen versucht, den Wahn zu bekämpfen. "Es gibt aber daran nichts zu rütteln", so der evangelische Dekan Dieter Dorn in Konstanz, "daß erst die Aufklärung mit ihrer Emanzipation vom christlichen Glauben den Wahn beendet hat, und die Kirchen nicht aus ihrem Innersten heraus zu einer Überwindung fähig gewesen sind".

Es gilt sogar als erwiesen, daß gerade in dieser Zeit des Umbruchs vom 15. bis 17. Jahrhundert - der Zeit der Reformation, Bauernkriege, Religionskriege - der Aberglauben ganz bewußt von den Herrschenden geschürt wurde. Die Erkenntnisse der Naturwissenschaften und der Geist der Emanzipation drang mehr und mehr auch unters einfache Volk und bedrohten immer mehr die Bastionen von Thron und Altar. So ist es auch verständlich, daß katholische wie protestantische Geistliche und weltliche Herrscher sich gleichermaßen dieser barbarischen Volksaufwiegelei als Herrschaftsinstrument bedienten. In einem Klima der gegenseitigen Denunziation und Einschüchterung, war den Herren, gerade im Zeitalter sozialer Unruhen, die so geschürte Hysterie eine willkommene Ablenkung von ihren Machenschaften.

Den Theologen fällt die Schuld zu, das ideologische Gerüst für einen, heute noch immer nicht ganz ausgerotteten, Teufelswahn entwickelt zu haben. Richtig schlimm ist auch die Tatsache, daß der Vatikan bis heute "Teufelsaustreibungen" als nötig ansieht, die allerdings "einer Genehmigung des Bischofs" bedürfen und auch noch tatsächlich durchgeführt werden. Eine Institution wie die katholische Kirche, die in unserem Land den Status einer "Körperschaft des Öffentlichen Rechts" inne hat!

 

 

 

 

 Quellen und weiterführende Literatur:

o      Gerhard Uhde. Sagen aus dem Heidenheimer Land. Jerratsch Heidenheim 1979.

o      Ernst Guther. Gerstetten und seine Nachbarn. Selbstverlag Gerstetten 1984.

o      (Hrsg.) Bruno Tausend. HDH - Heimatkunde für den Landkreis Heidenheim. Lutz Lörrach. o.J.

o      Hans Wulz. Heidenheimer Hexenprozesse. in Heidenheimer Land, Heidenheimer Neue Presse 7/1975.

o      (Hrsg.) Arbeitskreis Stadtgeschichte Giengen. 900 Jahre Giengen. Beiträge zur Stadtgeschichte. Giengen 1978.

o      Soldan, Heppe. Geschichte der Hexenprozesse. 1886, Nachdruck Magnus Kettwig 1880.

 

 

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