Weihnachten feiern?!

Für eine weltliche Feierkultur

 

von Heiner Jestrabek

 

Weihnachtsrummel - ohne mich! - Dass sagen sich immer mehr Zeitgenoss_innen, nicht ohne Grund. Schon Wochen vorher lassen uns die Medien und Kaufhäuser keine Ruhe. Wochenlanger Konsumterror, der dann auch noch durch ein sentimental-kitschiges Fest gekrönt wird, mit dessen religiösen Inhalten sich immer weniger Menschen identifizieren.

Andererseits erleben wir eine Entwicklung, bei der zunehmend Menschen auf der Suche nach Sinninhalten Feierlichkeit und Geborgenheit suchen. Kein Wunder also, dass in dieser Ellenbogengesellschaft, die durch zunehmende Vereinsamung der Menschen, durch Egoismus und Gefühlskälte gekennzeichnet ist, die Weihnachtsgottesdienste ungewohnt volle Kirchen bringen. Schon der Freidenker Karl Marx wusste, dass die kapitalistische Industriegesellschaft „kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriglassen wird, als das nackte Interesse, als die gefühllose bare Zahlung ... Alles Heilige wird entweiht.

Eine scheinbare Alternative zu dieser „materialistischen“ Welt, soll angeblich die Gefühlsduselei, die illusorische Friedensbotschaft der Kirchenlehren darstellen. Diese Weihnachtsdemagogie kann freilich nur deshalb so erfolgreich sein, weil das Weihnachtsfest eben tief im Leben und der Geschichte unserer Völker verankert ist. Es entspricht einem gesellschaftlichen Bedürfnis, zum Zeitpunkt der Wintersonnwende ein lebensbejahendes Fest zu feiern. Dafür gibt es Zeugnisse in allen Kulturen. Die Kirchen bedienten sich eben dieser populären Tradition und setzten ihre Zeremonien drauf.

Dieser Aufsatz wendet sich deshalb an die, die dem etablierten Weihnachtsrummel kritisch gegenüber stehen, aber dies nicht nur mit einer Verweigerungshaltung beantworten, sondern an einer humanistischen Feierkultur interessiert sind.

  

Über die Entstehung des Weihnachtsfests

Die Christen feiern bald „ihr“ Weihnachtsfest. Alle Jahre wieder ... ! Gefeiert wird der angebliche Geburtstag ihres Religionsstifters Jesus. Aber warum gerade am 25. Dezember? Ein wirklich nachgewiesenes Geburtsdatum des Menschen Jesus, sofern er überhaupt existiert hat und nicht nur Legende war, steht nicht fest.

  

Historischer Jesus ?

Eine Reihe hochangesehener Theologen leugnete rundweg, dass Jesus überhaupt gelebt habe. Ist es nicht seltsam, dass die zeitgenössische Geschichtsschreibung Jesus überhaupt nicht erwähnt. Die umfangreiche römische, griechische oder jüdische Geschichtsschreibung hat in Palästina nichts vom Wirken eines Jesus notiert. Nur das biblische „Neue Testament“ bildet die einzige Quelle, die von Jesus Kunde gibt. Und ist diese Textsammlung zuverlässig? Mindestens ein Drittel dieser „Heiligen Schrift“ beruht auf Fälschungen, Weglassungen, Ergänzungen. Einmütig erklärt die moderne kritische Theologie (spätestens seit David Friedrich Strauß: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Tübingen 1835/1836), dass sich vom historischen Jesus sich so gut wie nichts ermitteln lasse und seine wiedergegebenen Lehren nicht belegbar sind, ja größtenteils sogar dazu gedichtet wurden. Es existieren von den Schriften des Neuen Testaments auch keine Originale mehr, nur noch Abschriften von Abschriften von Abschriften, mit unzähligen ‑ absichtlichen und unabsichtlichen ‑ Übertragungsfehlern, je nachdem, weiche Umschreibung gerade machtpolitisch opportun war. Jede Jesusforschung bleibt somit Spekulation!

Selbst der fromme, aber redliche Albert Schweitzer kommt zu dem Schluss: „Es gibt nichts Negativeres als das Ergebnis der Leben‑Jesu‑Forschung. Der Jesus von Nazareth, der als Messias auftrat, das Gottesreich verkündete und starb, um seinem Werk die Weihe zu geben, hat nie existiert.“ (Albert Schweitzer: Geschichte der Leben-Jesu-Forschung. 1906)

 

Der Begriff „Weihnachten“

geht zurück auf das germanische wīha „geweiht“, „heilig“ und naht „Nacht“, „Nächte“,  „geweihte Nächte“, die zwölf langen Nächte der Wintersonnwende (Nordhalbkugel des Globus, beginnend ab 21./22.12.). „Weihnachten“ ist deshalb nicht christlichen, sondern heidnischen Ursprungs, wie andere jahreszeitliche Festtage ebenso. Trotzdem reklamieren die christlichen Kirchen Weihnachten als das Geburtstagsfest ihres legendären Religionsgründers Jesus am 25. Dezember, als „Christtag“, bzw. „Hochfest der Geburt des Herrn“. Schon früh wurde dagegen die Vermutung geäußert, dass der Name vorchristlichen Ursprungs ist. Sebastian Franck 1538: „das dieser heydnisch nam [Ostern] und standt nicht von Petro, sonder von den heyden in das christenthumb ist kommen, wie auch die fasznacht, weinnacht etc.“ (Sebastian Franck: Germaniae chronicon 1538. Bern 1539).

Die Datierung des Geburtstermins Jesus der Christen auf den 25. Dezember jedenfalls erfolgte ohne wirkliche Kenntnis. Die Urchristen, die es doch eigentlich am besten wissen hätten müssen, feierten den Geburtstag von Jesus überhaupt nicht. Um 200 u.Z. feierten die christlichen Kirchen teilweise den 19.04., den 20.05. oder den 17.11. als Jesu Geburtstag.

Das Fest Weihnachten ist erstmals im 2. Jahrhundert u.Z. in Ägypten gefeiert worden, als Geburtstag des Gottes Osiris, auch Aion genannt. Die christliche Weihnachtsgeschichte dagegen ist noch nicht einmal in allen Evangelien der christlichen Bibel niedergeschrieben. Bei Markus wird von Jesus Geburt überhaupt nichts berichtet, Matthäus und Johannes sind mit Josefs Gefühlen und einer Fleischwerdung eines göttlichen Logos befasst. Nur Lukas beschreibt das populäre romantisch-idyllische Krippenspiel. Bei den genannten Autoren handelte es sich allerdings nicht um die gleichnamigen Apostel. Die Jesus-Legenden wurden erst 40 bis 80 Jahre nach dem beschriebenen Kreuzigungstod aufgezeichnet. Vorher wurden sie nur mündlich verbreitet. Wie im alten Palästina üblich, mit immer mehr und ausgeschmückteren Wundergeschichten, Ergänzungen und Fabeln. Historisch sind weder nachweisbar: Maria, Josef, der Geburtsort Bethlehem, die mühselige Zimmersuche, der Stall, Ochse und Esel, Hirten und alle drei Könige. Nur die Volksbefragung der Römer gab es in Palästina. Allerdings zu anderer Zeit und in anderen Landesteilen. Der biblisch beschriebene massenhafte Kindermord durch Herodes - auf den sich neuerdings katholische Fundamentalisten besannen und Glockenläuten für Ungeborene veranstalten (und Schwangerschaftsabbruch damit verteufelten) - ist erwiesenermaßen eine Geschichtslüge.

 

Sol Invictus

Im Römischen Imperium wurde im Jahr im Jahr 274 u.Z. der Termin des Festes festgesetzt auf den 25.12., anlässlich einer Tempeleinweihung durch Kaiser Aurelian für Sol Invictus, den „Unbesiegten Sonnengott“. Er begründete damit einen offiziellen Schutzherren und Staatsgott. Als das Christentum in Rom zur alleinigen Staatsreligion erhoben wurde (Ende 4. Jahrhundert u.Z.) wurden alle Festtage des heidnisch-römischen Kults zu christlichen Kulten umgewandelt. In den neu entstandenen christlichen Weihnachtskult flossen jetzt ein: das heidnische Fest der Wintersonnwende, das Fest des Aion, eine mystische Darstellung der Geburt der neuen Sonne (Beschwörungsformel: „Die Jungfrau hat geboren, zu nimmt das Licht.“), die Naturerscheinung, dass nach dem kürzesten Tag des Jahres die Sonne wieder länger scheinen wird und der Frühling naht, das Fest des Sol Invictus, die „Saturnalien“, die noch einige Jahre vorher bei den Christen besonders verpönt waren, wegen ihres ausschweifenden Charakters.

 

Wintersonnwendfeier

Bei der Christianisierung Nordeuropas wurde dann das germanische „Julfest“ - auch ein Wintersonnwendfest als Bestandteil des Sonnenkults - als christliches Weihnachten umgedeutet. Aus dem nordischen „Julkranz“ wurde der Adventskranz. Auch die Symbolik des Kerzenbaums, als Vereinigung von lebendem Licht (Flamme) und lebendem Grün (Nadelbaum), war verbreitet in vorchristlichen Kulturen und hat immer die Sonnwendfeier begleitet. Aus der Vorstellung, dass in der Zeit der Wintersonnwende die heidnischen Götter auf die Erde kämen, um „nach dem Rechten“ zu sehen. Der ursprüngliche Mythos stellte sich vor, dass das „Muetesheer“ während der „Zwölften“ (zwölf Nächte um die Jahreswende) umginge. Der Nikolaus-Weihnachtsmann entstand aus dem „ruhmprächtigen“ (althochdeutsch: ruotperecht) Gottvater Odin oder Wotan, verballhornt als „Knecht Ruprecht“ (Der Knecht als Synonym für die in Knechtschaft genommene germanische Mythologie).

Trotz all dieser zweifelhaften Umstände, wurde Weihnachten aber dennoch ein sehr populäres Fest der Alltagskultur. Von den mythologischen Zusammenhängen befreit, wird es auch von der Zivilgesellschaft angenommen und gern auch von säkularen und freidenkenden Menschen als mittwinterliches Familienfest gegangen. Säkulare Menschen sind überwiegend keine verbiesterten Feiermuffel und neigen eher zum Hedonismus.

  

Friedensfest

Das mittwinterliche Sonnwendfest wurde und wird auch als ein Fest der Selbstbejahung des menschlichen Lebens gesehen und ist deshalb bestens geeignet als Fest des Friedens. Denn das Leben selbst bedarf des Friedens und ist unvereinbar mit Krieg, Umweltzerstörung, Fremdbestimmung oder anderer menschenfeindlicher Akte.

Was wäre dagegen einzuwenden, wenn wir uns in die humanistische Tradition dieses winterlichen Friedensfestes stellen würden? Es wäre allemal glaubwürdiger als die Weihnachts­-Friedensbotschaft von Kirchen, die sich im letzten Jahrhundert schon zweimal dafür hergegeben haben die Weltkriegswaffen zu segnen, „Deutsche Kriegsweihnachten“ feierten und „Weihen“ für „Heldentod“ und „Volk und Vaterland“ zelebrierten. Sollten diejenigen, welche in dieser Tradition stehen Heilsbringer des Friedens sein?

  

Weltliches Feiern

Ein heiteres mittwinterliches Volks‑ und Familienfest mit humanistischem weltlichem Charakter machte weit mehr Sinn. Dabei brauchte weder auf kleine Geschenke, noch auf den Tannenbaum verzichtet zu werden. Zur Feiergestaltung taugt jeder kulturelle Beitrag, der feierlich und humanistisch ist. Erfahrungsgemäß kann dabei mit dem vorhandenen Kulturgut recht unbefangen umgegangen werden. Wie z. B. damit:

  

Imagine (John Lennon)

Stell Dir vor, da wär' kein Himmelreich

-         Es ist leicht, probier es nur ‑

keine Hölle unter uns

Über uns nur Firmament

Stell Dir vor, all das Volk lebte nur für's Heute!

 

Stell Dir vor, da wären keine Staaten

-         Dies ist nicht schwer zu tun ‑

Niemand zum Morden oder dafür zum Sterben

Und auch keine Religion

Stell Dir vor, all das Volk lebte stets in Frieden!

 

Stell Dir vor, da wär kein Eigentum

-         Ich frag mich, ob Du's kannst ‑

Da wär kein Grund für Gier und Hunger mehr

Ein Bruderbund der Menschheit

Stell Dir vor, all das Volk hat Teil an dieser Welt!

 

Mag sein, Du sagst, ich wär ein Träumer

-         Ich bin ja der Einzige nicht nur ‑

Einmal, so hoff' ich, werden wir uns vereinen

Und die Welt wird sein wie Eins!

 

 

In diesem Sinn: Fröhliche und friedliche Sonnwend-Weihnacht!

 

 

Quellen und weiterführende Texte:

Joachim Kahl, Peter Schütt: Das andere Weihnachtsbuch. Ein weltliches Buch. Dortmund 1987.

Karlheinz Deschner: Abermals krähte der Hahn. Neuausgabe Aschaffenburg 2015.

Hans Marquardt, Eberhardt Binder: Der leuchtende Baum. Weihnachtsgeschichten aus aller Welt. Kinderbuchverlag Berlin 1982.

Heide Buhmann, Hanspeter Haessler: Das kleine dicke Liederbuch. Darmstadt 1981.

Lieder des Lebens. Eekeboom-Gesellschaft Pinneberg 1987.

Fredrik Vahle: Glitzerschnee und Knoblauchpizza. Neue Winter- und Weihnachtslieder. CD 1987 und neuere Buch- und CD-Veröffentlichungen.

 

 


 

Humanistischer Freidenker-Verband Ostwürttemberg

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